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Film und Foto - Internationale Ausstellung des Deutschen Werkbunds (1/3)

Film und Foto
Internationale Ausstellung des Deutschen Werkbunds

Stuttgart 1929
Foto-Ausstellung vom 18. Mai bis 7. Juli
in den neuen Ausstellungshallen auf dem Interimtheaterplatz
Film-Sondervorführungen vom 13. bis 26. Juni
in den Königsbaulichtspielen

 

GELEITWORT

Für den Deutschen Werkbund find alle Gebiete gestaltender Arbeit wichtig. Um so wichtiger, je mehr ein solches Gebiet mit ungelösten Fragen aktueller Art erfüllt HL So gab im Jahre 1927 in Stuttgart die Werkbund-Ausstellung „Die Wohnung" an Hand praktischer Beispiele Anregungen und wichtige Lösungen für eine der dringendsten Aufgaben der Nachkriegszeit. So wird auch die Internationale Werkbund-Ausstellung „Film und Foto" ein großes, fest-umrissenes und ganz der Neuzeit zugehöriges Arbeitsgebiet behandeln, das bis jetzt noch nie umfassend und systematisch bearbeitet wurde. Auf diesem Gebiet find die Dinge noch. durchaus im Fluß. Um so notwendiger HI es, Eich mit ihnen zu befallen, ihre neuen Arbeitsmethoden und -gebiete festzustellen und auf diese Weise eine klärende Grundlage zu schassen, von der aus eine Befunde Weiterentwicklung möglich UI. Der Deutsche Werkbund stellt mit dem von ihm gesammelten Material alle Fragen moderner Fotografie und Filmkunst zur Diskussion. Möge das Ergebnis fruchtbar sein für Film und Foto, zwei Gebiete, die auf Grund der Internationalität ihrer Sprache und der Eindringlichkeit ihrer Leislungen zu den einflußreichsten der Neuzeit gehören.
Dr.-Ing. h. c. Peter Bruckmann,
1. Vorsitzender des Deutschen Werkbunds

 

DIE AUSSTELLUNG

Von Gustaf Stotz
Die Entwicklung der fotografischen Apparatur, die Erfindung der Kinematografie und die Vervollkommnung der Bild-Reproduktionstechnik haben ein in seinem Umfang und seinen Einflüssen ungeheuer weites, weltumspannendes Fachgebiet geschaffen. Diese Entwicklung kam so überraschend, daß merkwürdiger-weise bis heute noch nirgends der Versuch gemacht wurde, dieses Gebiet in seiner Gesamtheit zu bearbeiten, seinen Wirkungsbereich klarzustellen und feine Entwicklungsmöglichkeiten an Hand der besten und neuesten Leistungen aufzuzeigen.
Die Stuttgarter Ausstellung, auf meine Anregung vom Deutschen Werkbund beschlossen, wagt diesen ersten Versuch. Dabei konnte es lieh nicht darum handeln, lediglich einen Querschnitt durch die gesamte fotografische Produktion und ihre Arbeitsmethoden zu geben, sondern es war wichtig, in erster Linie das herauszustellen, was als eigentliches Arbeitsgebiet der Fotografie anzusprechen war; das, was nur mit den Mitteln der Fotografie gestaltet werden konnte, die für sie wesentlich sind und nur ihr zugehören. Die Frage der sogenannten „künstlerischen" Fotografie trat dabei in den Hintergrund. Ja, die Ausstellung setzt sich bewußt und absichtlich in schärfsten Gegensatz zu der immer noch landläufigen Auffassung, als ob eine fotografisch-künstlerische Wirkung nur durch Weichheit, Verschwommenheit und insbesondere manuelle Ueberarbeitung der Aufnahmen zu erzielen sei. Im Gegenteil! Grundlage jeder echten fotografischen Leistung bildert das Objektiv, jene kleine Linse, mit der alle Dinge klar, scharf und präzis erfaßt werden können. Dazu die lichtempfindliche, hochempfindliche Schicht, die es gestattet, im Bruchteil einer Sekunde die heftigste Bewegung — selbst die eines fliegenden Geschosses — auf Film oder Platte zu bannen. Also: einerseits Möglichkeit der Bewegungsfixierung und schärfste, naturgetreue Erfassung des Objekts, andererseits aber auch große Beweglichkeit der Kamera — das find die hervorragenden technischen Mittel der fotografischen Apparatur. Mittel, die durch keines Menschen Hand zu ersetzen sind. Von hier aus läßt sich die gewaltige Entwicklung der Fotografie begreifen; von hier aus lassen sich auch ihre technischen und künstlerischen Möglichkeiten Tauber abgrenzen.
Die Absicht der Ausstellung ging von Anfang an darauf aus, möglichst lückenlos Arbeiten derjenigen Persönlichkeiten zu bekommen, die als erste die Kamera als unser zeitgemäßestes Gestaltungsmittel erkannt und mit ihr dementsprechend gearbeitet haben. Weiterhin war es für die Ausstellung wichtig, die neuen Arbeitsgebiete der Fotografie an einzelnen Gruppen mit ausgewählten und für jedes Gebiet besonders charakteristischen Aufnahmen zu demonstrieren. Für alle Arbeiten aber war der Gesichtspunkt maßgebend: Die Apparatur allein tut es nicht. Entscheidend ist der Mensch, der hinter ihr steht und mit ihr arbeitet. Damit scheinen mir im wesentlichen die Gesichtspunkte, die für die Zusammenstellung der Stuttgarter Ausstellung als Grundlage gedient haben, klargelegt zu sein.
Es ist selbstverständlich, daß ein Programm, das über ein so umfangreiches Fachgebiet und über so viele Länder gespannt wurde, nicht durch einen einzelnen allein bearbeitet werden konnte. Es bedurfte der Mitarbeit zahlreicher Persönlichkeiten, von denen einige der wichtigsten an anderer Stelle des Katalogs genannt wurden. Diesen und den vielen anderen, die bei der Sammlung und Bearbeitung des reichen Materials so selbstlos und mit freudiger Anteilnahme geholfen haben, bin ich zu größtem Dank verpflichtet. Eine ifarke und lebendige Auswirkung der Ausstellung wäre für unsere Kollektivarbeit der schönste Lohn.

 

AMERIKA UND FOTOGRAFIE

Von Edward Weston, Carmel, Californien
Die Fotografie befindet sich in Amerika in einem traurigen, ja anaemischen Zustand — nur wenige markante Erscheinungen heben sich ab. Allgemein gesprochen: die Bühne wird von geschickten Technikern beherrscht, die sich soweit als möglich von der fotografischen Qualität entfernen. Oder von jenen, die die Fotografie für ein bequemes Mittel halten, um ihre persönlichen Gefühlsexzesse oder ihren Ehrgeiz zur Schau zu stellen. Mit einem so ehrlichen, geraden, Kompromissen unzugänglichen Mittel können sie das nicht fertig bringen, ohne zu Schwindel ihre Zuflucht zu nehmen — wie unscharfe Einstellung, Ueberarbeitung der Kopien, oder, was schlimmer ist, künstlich gestellte Aufnahmen. Hunderte von ermüdeten Geschäftsleuten oder Handwerkern und müßige Weiber spielen mit der Fotografie wie mit einem Steckenpferd für die freie Zeit — und dann präsentieren sie ihre Produkte als „Kunst“!
Diesem bequemen Wege stellt sich die Fotografie entgegen, die frei ist von technischen Tricks und stammelnder Gefühlsduselei. Der fertige Abzug wird beim Einstellen des Fokus auf dem Sucher vorausgesehen, das Endresultat in diesem Augenblick vorausgefühlt — in seinem ganzen Wert und seinen Formbeziehungen. Klappt die Blende auf, so werden diese Werte und Formen für immer festgehalten, und Entwickeln sowie Kopieren ist nichts anderes als ein sorgfältiges Ausführen der ursprünglichen Idee.
All jenen, die im Augenblick der Belichtung nichts fühlen oder nicht alles erfassen und sich auf spätere Ueberarbeitung verlassen, um ein unvorhergesehenes Ziel zu erreichen, ist der Mißerfolg vorbestimmt.
Nichts kann einem anderen übermittelt werden, wenn nicht ein ursprüngliches Problem gefühlt, konzipiert und gelöst wurde; und zwar kein leichtfertiges Problem, wie geschickte Dekoration oder das persönliche Ich, sondern das Festhalten der Quintessenz und des Zusammenhangs alles Lebenden.
Vincent van Gogh schrieb: „Ein Gefühl für die Dinge als solche ist viel wichtiger als ein Sinn für das Malerische.“
Merkt es Euch, Fotografen!
Mit einem Mittel, das imstande ist, mehr zu offenbaren, als das Auge sieht, könnte man die „Dinge an sich“ aufnehmen, und das klar und machtvoll. Aber statt dessen verlegen sich die „malerischen“ Fotografen auf die impressionistische Verwischung.
Impressionismus ist Skeptizismus. Er stellt das, was man so nebenbei bemerkt, über das, was man positiv weiß.
Nicht in Formen des persönlichen Geschmacks, der vorübergehenden und oberflächlichen Laune zu gestalten, sondern mit der größten Exaktheit darzustellen – das ist der Weg der Fotografie, und es ist kein leichter Weg. Vision, feinfühliges Spüren, die Kenntnis des Lebens, das alles sind notwendige Hilfsmittel für diejenigen, die durch die Linse Allgemeingültiges gestalten wollen, Allgemeingültiges, das Teil eines organischen Ganzen ist, innerhalb dieses Ganzen bestimmte Funktionen erfüllt, das reine Naturform ist; vielleicht nur ein Bruchstück, das aber die Rhythmen des Lebens aufzeigt oder versinnbildlicht.
Ich habe von der Fotografie gesagt, daß sie ehrlich, gerade und Kompromissen abgeneigt sei. Das ist sie auch, wenn sie in ihrer Reinheit angewandt wird, wenn der Arbeiter selbst ebenso aufrichtig ist und die Auswahl und Darstellung mit Verständnis vornimmt. Dann hat sie eine Kraft und Lebendigkeit, die den Beschauer ergreift und bannt. In solcher Fotografie kann es keine Lüge geben. Keine menschliche Hand mit ihrer möglichen Schwäche hat bei der Aufnahme die ursprüngliche Schönheit verkleinert oder ihre Bedeutung falsch dargestellt und so ihre Eigenart zerstört.
Ein früher sehr bekannter Fotograf begründete die Ueberarbeitung und Retusche der Abzüge damit, daß die Fotografie den belebenden Einfluß der Hand nötig hätte. Wozu dann überhaupt fotografieren! Der Maler mit Palette und Pinsel hat eine geübte Hand, mit der er alles viel besser ausführen und ausdrücken kann. Die Fotografie aber hat, wie bereits angedeutet, ihren eigenen Wert und Nutzen, ganz unabhängig von jedem anderen Mittel.
Ich habe das Wort „Kunst“ herangezogen. In diesen Zeiten der immerwechselnden Wertungen ist es unerheblich, ob man die Fotografie Kunst nennen darf oder nicht. Sie gehört zu unserer Zeit — wir verstehen sie, reagieren auf sie und brauchen sie als lebendige zeitgenössische Ausdrucksform.
Aber um es zu begründen: der Unterschied zwischen guter und schlechter Kunst irgendwelcher Art oder in irgend einer Zeit liegt im schöpferischen Geist und nicht in der manuellen Geschicklichkeit. Was zählt, ist die Art, wie man sieht, und diese wird durch die Einstellung des Künstlers bedingt, nicht aber durch seine Geschicklichkeit als Handwerker. Wenn der Künstler groß genug ist, wird er aus sich selbst einen vollendeten Handwerker machen, um seine Absichten desto besser auszudrücken.

 

RUSSLAND UND FOTOGRAFIE

Von W. Jemtschuschny, Moskau
Die russische vorrevolutionäre Fotografie war vorzugsweife die sogenannte „künstlerische“ Fotografie. Man verstand unter diesem Ausdruck gewöhnlich jene zahlrechen Stilleben, Landschaften und Porträts in denen der Fotograf sklavisch die Methoden der Malerei kopierte und sowohl in der Komposition als auch in der Licht- und Schattenverteilung, wie auch bei der Gestaltung der Oberfläche darnach strebte, möglichst eine Gemäldewirkung zu erreichen.
In den Jahren der Revolution entstand eine große Nachfrage nach der dokumentarischen Fotografie. Die Masse wollte in den Zeitungen und Zeitschriften nicht tote Stilleben und Landschaften, sondern das lebendige, echte Gesicht der Wirklichkeit sehen. Vor den Fotografen erhob sich die schwierige und sehr interessante Aufgabe, in ihren Arbeiten die Epoche der sozialen Umgestaltung festzuhalten. Es versteht sich, daß diese Arbeit unmöglich mit den Methoden der alten „malerischen“ Fotografie zu lösen war. Die stürmische Wirklichkeit ließ sich nicht in den Rahmen der gewohnten „malerischen“ Kompositionen einfangen. Die Aenderung im Thema erforderte auch eine Aenderung der formalen technischen fotografischen Methoden, eine Befreiung von der Abhängigkeit vom Gemälde, ein Suchen nach eigenen besonderen Methoden, die aus der Eigenart des fotografischen Materials entsprangen. Neue unerwartete Verkürzungen, ungewohnte Perspektiven, kühne Lichtschattenkombinationen tauchten auf, um möglichst scharf und deutlich die Ausschnitte aus der sozialen Wirklichkeit wiederzugeben.
Die führende und in ihrer Technik und in den formellen Errungenschaften beste Gruppe war die Gruppe der jungen Fotoreporter, die sich zu einer besonderen Assoziation zusammengeschlossen hatte und gegen die „künstlerische“ Fotografie ankämpfte.
Die theoretischen Fragen der Reportage-Fotografie wurden von der radikalen Künstlervereinigung „LEF" bearbeitet. Aus der „LEF" ging auch der größte Foto-Neugestalter, A. M. Rodtschenko, hervor, der ähnlich wie Moholy-Nagy sich von der Malerei in der Fotografie lossagte. Im Unterschied jedoch zu zahlreichen westeuropäischen Neuerern befassen sich die sowjetischen radikalen Fotografen nicht mit Experimenten über „gegenstandslose“ Fotografie. In ihren Fotografien bleiben sie weiter Fotoreporter, bemüht, das wirkliche Leben zu erfassen.
Neben den Berufsfotografen arbeitet auf dem Gebiet der dokumentarischen Fotografie eine riesige Armee von Arbeiter-Fotografen. In den 3000 Fotozirkeln der Gesellschaft der Freunde der Sowjetkinematografie sind viele Zehntaufende von Arbeiter-Fotografen vereinigt. Die Gesellschaft versorgt diese Zirkel mit Material und läßt ihnen technische Hilfe zuteil werden. Diese Zirkel machen hauptsächlich Aufnahmen aus dem Leben ihres Gebiets, die Erfolge der Industrie, der Landwirtschaft, die neuen Formen des Lebens, die Kulturarbeit und die noch immer nicht beseitigten Ueberbleibsel des Alten sind die Themen ihrer Fotos. Berücksichtigt man, daß diese Fotozirkel sich über das ganze ungeheure Gebiet der Sowjetunion vom nördlichen Eismeer bis zu den heißen Steppen Turkmeniens erstrecken, so sind die von diesen Zirkeln gemachten Aufnahmen von riesigem kulturellem Wert, sowohl für den Historiker als auch für den Ethnografen, wie auch für den Kinooperateur, der sich auf eine Expedition begibt.

 

DAS FILMSTUDIO

Von Hans Richter, Berlin
Der heutige Film entspricht nicht mehr den Wünschen und dem Geist eines großen Teils des Publikums. Sie wollen zwar Filme gern sehen, aber diese nicht. Dieser Teil des Publikums ist für das gegenwärtige Kino verloren. Das wird auch von den zuständigen Stellen nicht bezweifelt; doch sie kommen vorerst noch ohne diesen Teil des Publikums aus. Es ist keine Frage, daß die rückläufige Bewegung zunimmt. Die Fachpresse weist täglich darauf hin. Wenn man ihr glauben soll, so wird auch der hartnäckigste Geschäftsmann bald einsehen müssen, daß es bei der Herstellung von Filmen auf mehr ankommt, als auf das Erforschen der Konjunktur. Der Film ist eine Kunst, ist also den Entwicklungsgesetzen der ganzen Epoche unterworfen, nicht der Konjunktur. Diese wird um so unsicherer, wechselhafter und schließlich ganz unberechenbar, je mehr man ihr nachgibt. Es ist falsche Politik, unsicheren Neigungen des Publikums nachzugeben; man kann und muß das Publikum führen — auf Grund der besseren Kenntnis und Uebersicht. Aber dazu gehört, daß die Führenden tatsächlich bessere Kenntnis und Uebersicht haben; daß sie vom Film als Kunst wirklich etwas verstehen; daß sie die Entwicklung der Filmkunst vorausspüren. Das aber kann (unter Geschäftsleuten) allein der Kunstliebhaber, in diesem Fall: der Filmkunst-Liebhaber.
In dieser Situation sehen wir die Möglichkeit eines neuen Typus von Filmunternehmer, der da beginnt, wo die Erfahrungen des bisherigen Produzenten enden. Wir wollen ihn den „Filmmillionär von morgen“ nennen. Er wird erkennen, daß die Zeit für den neuen Film reif ist und also auch ein Geschäft in ihm sehen. Je mehr die übliche Filmproduktion hinter der Zeit zurückbleibt, um so mehr wachsen seine Chancen. Wenn der Mangel an geistiger Qualität dazu geführt hat, Pomp, Aufmachung und Starwesen als notwendige Bestandteile des Films zu betrachten, so wird er den entgegengefetzten Weg gehen, die entgegengesetzten Bestrebungen unterstützen. Für ihn würde es sich darum handeln, Filme auf ihren geistigen Gehalt, ihre plastische Form, ihre innere Konzentriertheit zu stellen und solche neuen Filmarten entstehen zu lassen, die heute geburtsreif find: an Stelle schlechter Prunkfilme für eine halbe Million gute Filme für 50 000.
Für 50 000: das ist neben der Frage neuer Künstler, neuer Manuskripte eine Frage entsprechender technischer Organisation. In dem Maße, in dem man die auf dem heutigen Film liegenden materiellen Risiken zu reduzieren vermag, gibt man ihm auch seine künstlerische Freiheit und die Möglichkeit eigener Entwicklung.
Die Wege dazu sind zu suchen, so wie die Form und Inhalte der Filmkunst überhaupt.
Der geeignete Ort dafür ist das Film Studio.
Die Aufgaben des Filmstudios sind also vorgezeichnet: Auffindung der best-geeigneten Methoden und Formen des neuen Films in bezug
auf seinen künstlerischen Aufbau,
seinen Inhalt,
seine technisch-ökonomische Form.
Auffindung solcher Arbeitsmethoden, die aus einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Kunst zu schaffen vermögen. Das Filmstudio wird Nachwuchs heranbilden, der in Werkstattversuchsarbeiten auf die wahren Ziele des Films vorbereitet ist.

 

RUSSENFILM UND AUSLAND

Von O. D. Kamenewa, Moskau
Die Bedeutung des Kinos für den kulturellen Aufbau der Sowjetunion ist außerordentlich groß. Unsere Kinos sind nicht nur eine Vergnügungsstätte, das Ziel unseres Kinos geht weit über rein ästhetische Einwirkung auf den Zuschauer und über die Verfilmung einer nur Zerstreuung bietenden Fabel hinaus. In unserem riesigen Lande, dessen einzelne Republiken an Größe einige europäische Länder übertreffen, in unserem Lande mit der geringen Dichte von Eisenbahnschienensträngen sind manche Gebiete von den kulturellen Hauptstädten des Landes getrennt; und da wird das Kino durch seine mächtige Einwirkung auf den Zuschauer zu einem wichtigsten Faktor des kulturellen Aufbaues und der Volksaufklärung der breiten Massen der Stadt- und Landbevölkerung. Dieser Umstand zwingt uns, besonders ernsthaft an alle Probleme des Kinowesens heranzutreten und zu versuchen, sie in Verbindung mit den allgemeinen Aufgaben des kulturellen Aufbaues und der kulturellen Revolution in unserem Lande zu lösen.
Der hohe künstlerische Wert unserer Kinematografie ist allgemein anerkannt. Eine Reihe von Arbeiten von Sowjet-Filmregisseuren, eine Reihe von Sowjet-Filmen wurden sowohl in der Sowjetunion selbst, wie auch im Auslande als bedeutungsvoll für die weitere Entwicklung des Weltfilmwesens eingeschätzt. Wir freuten uns über diesen Erfolg, der die Richtigkeit unserer Arbeitsmethoden auf diesem Gebiet bestätigte, jedoch wollen wir im weiteren nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Unsere Regisseure und Kinoarbeiter fahren fort, sich in ihrer Arbeit zu vervollkommnen, und die Selbstkritik hilft ihnen, ihre Fehler festzustellen und neue Wege in ihrer Kunst zu finden. Deshalb ist uns jede Probe unserer Arbeit wichtig, und eine solche Probe sind für uns unsere Kinoausstellungen im Ausland, namentlich in Ländern mit einer hochentwickelten Technik.
Unsere führenden Filmleute begreifen, daß sie das Wichtigste, was sie der Entwicklung des Filmwesens gaben und das im Auslande als das Kennzeichnende und Originelle für das Sowjet-Kino erklärt wird, der Revolution zu verdanken haben.
Der künstlerische und geistige Reichtum der Sowjet-Filme erklärt sich dadurch, daß er auf dem Material der revolutionären Wirklichkeit aufgebaut wurde und aus der sogenannten Chronik, d. h. aus Fixierung von Tatsachen und Begebnissen entstand. Die Bedeutung der Tatsachen und revolutionären Begebnisse bestimmte die Bedeutung unseres Filmwesens und gab ihm künstlerische Kraft an die Formung eines neuen revolutionären Themas, an das Herauskristallisieren neuer Leitgedanken, die für die Filmkunst von wesentlicher Bedeutung wurden, heranzutreten. Eine Verbindung unserer Originalität mit der fortgeschrittenen Kinotechnik in Westeuropa sowie die Kenntnis über unsere Arbeitsmethoden dort sind für beide Teile gleich wichtig. Deshalb halten wir eine Verbindung zwischen uns und dem Auslandsfilmwesen für so zukunftsreich. Diese Verbindung ist um so leichter herzustellen, als sich im Auslande gerade jetzt eine mächtige Bewegung für das neue Kino, das frei von allen kommerziellen Hintergedanken ist und sich ausschließlich der schöpferischen, sowohl künstlerischen wie kulturellen Arbeit widmen will, herausbildet. Bezeichnend für das Ausmaß und die Kraft der Bewegung ist der im September d. J. einberufene internationale „Kongreß des Freien Kinos“, an dem zahlreiche Delegationen der meisten Länder, darunter auch der Sowjetunion sowie Vertreter der fortschrittlichsten Kinoorganisationen und Gruppen teilnehmen werden. Die Bedeutung einer solchen internationalen Organisation für die weitere Entwicklung des europäischen Kinowesens ist außerordentlich groß. Die Organisation des Kongresses wird die Aktivität aller derer wachrufen, denen das Schicksal des Kinos am Herzen liegt und die es anstreben, das Kino über den toten Punkt wegzubringen und es einzig und allein den Interessen der Kunst unterzustellen. Die Sowjetkinematografie wird an dieser Arbeit selbstverständlich aktiv teilnehmen.
Wir halten nicht nur eine gegenseitige Informierung, sondern auch eine gemeinsame Arbeit unseres und des ausländischen Kinos für wichtig. Eine solche Arbeit, an der die Regisseure unseres Landes sowie Deutschlands und auch Schauspieler beider Länder teilnahmen, hat schon bestimmte Resultate gezeitigt. Es sei hier nur an die gemeinsame Filminszenierung des „Lebenden Leichnams“ erinnert.
In der weiteren Festigung dieser Verbindung spielen die Ausstellungen eine große Rolle. Wir sind verhältnismäßig spät in das internationale Leben auf dem Gebiete der Filmkunst eingetreten. Die gegenwärtige Ausstellung ist nach der Kino-Ausstellung im Haag, die im vorigen Jahre stattfand, erst die zweite. Die Gesellschaft für kulturelle Verbindung der Sowjetunion mit dem Auslande hat mit besonderer Genugtuung die Einladung des „Deutschen Werkbundes" zu einer Beteiligung an dieser Ausstellung angenommen. Im Unterschied zu früheren Ausstellungen ist diese ausschließlich „fortschrittlich“ eingestellt: an ihr werden namentlich jene unserer Richtungen, die sich der besonderen Gunst des Auslandes erfreuen, d. h. die neue und experimentelle Kinematografie unseres Landes demonstriert werden.
Die Stuttgarter Ausstellung ist eine Etappe auf dem Weg der kulturellen Arbeit auf dem Gebiet des Kinos. Die Gesellschaft für kulturelle Verbindung der Sowjetunion mit dem Auslande schuf, um Planmäßigkeit in diese Arbeit zu bringen, eine spezielle Kinosektion, deren Arbeit alle künstlerischen, wissenschaftliehen und kulturellen Sphären der Sowjetkinematografie umfaßt und deren vornehmliches Ziel es ist, das Ausland mit den Errungenschaften der Sowjetkinematografie bekannt zu machen und einen gegenseitigen Austausch von theoretischen und praktischen Erfahrungen einzuführen.
In der kurzen Zeit ihres Bestehens hat die Kinosektion bereits viel erreicht. Durch die Vermittlung der Kinosektion wurde ein Film, der uns von der Japanischen Gesellschaft der Freunde der Sowjetunion zur Verfügung gestellt wurde und den Zuschauer mit der Lebensweise der Japaner und ihrer Kultur bekannt macht, bei uns vorgeführt. Einer unserer Filme, der in der Mongolei aufgenommen wurde und nun in Westeuropa aufgeführt wird, gibt dem westeuropäischen Publikum die Möglichkeit, nicht nur ein bedeutendes Werk unserer Kinematografie kennen zu lernen, sondern auch durch seine Vermittlung mit der Mongolei bekannt zu werden. Die anläßlich dieser Ausstellung stattfindende Aufführung des Filmes über die Pamir-Expedition gibt ihrerseits einen wesentlichen Beitrag zur Kenntnis unserer kulturellen Mitarbeit mit Deutschland auf wissenschaftlichem Gebiet.
Die Arbeit der Kino-Sektion der Gesellschaft für kulturelle Verbindung der Sowjetunion mit dem Auslande wird um so mehr Früchte bringen, je mehr und je intensiver sich die Verbindung mit öffentlichen Kino-Organisationen des Auslandes gestaltet und je mehr solcher Organisationen in anderen Ländern, in denen sie noch nicht bestehen, geschaffen werden.
Während jetzt unter Sowjetkinopublikum das westeuropäische Kino nur nach Filmen beurteilen kann, die zu uns auf dem Wege des Vertriebs gelangen, hoffen wir, daß in der Zukunft diese Bekanntschaft nach einem bestimmten Plan, den wir gemeinsam mit unseren ausländischen Freunden auszuarbeiten hoffen, erfolgen wird. Dies wird unserem Publikum die Möglichkeit geben, in das Wesen der verschiedenen ausländischen Filmrichtungen einzudringen fowie mit den kulturellen und wiffenfchaftlichen Errungenfchaften der europäischen und amerikanischen Kinematografie bekannt zu werden.

 

SOWJET-KINO

Von N. Kaufmann
Das Sowjet-Kino ist auf dem Material des „Oktober“ aufgebaut. Der „Oktober" hat ihm die Substanz, das Gehirn und den Rhythmus verliehen.
Die kleine Gruppe der edlen russischen Kinematografen, die sich von der vorrevolutionären Kinematografie abgesondert hatte, stieß auf einen zerstörten Friedhof. Das war für den Weg der Sowjet-Kinematografie vorausbestimmend. Das Sowjet-Kino baute sich nicht auf dem archaischen Material der Tradition, sondern auf dem tatsächlichen Material von aktueller Bedeutung auf. Die Geschäftsmänner des vorrevolutionären Kino sabotierten oder desertierten, versteckten oder entführten das Produktionsmaterial, wie Filmband, Einrichtungen und Apparate. Die Kino-Fabriken standen verlassen und still, die Produktion wurde dadurch auf die Straße gejagt. Die Aufnahmesphäre des neuen Sowjet-Kinos, Objekt seiner visuellen Einstellung waren die Kriegsfronten, die Kulaken- und antireligiösen Fronten, politische Prozesse, Massen-Aktionen, die Arbeit der eben entstandenen Staatsstellen, der Tagungen und Kongresse. So entstand die historische Periode der Sowjet-Chronik, die einem neuen sozialen Material gegenübergestellt wurde. Bei der Ausbeute dieses chronikalen Materials, die oft mit ernster Lebensgefahr der Operateure verbunden war, hat ihre Einstellung diese Arbeiten vorausbestimmt. Die Neuheit des Materials hat sie visuell umgestimmt. Der Rhythmus der Revolution, das Tempo der Geschehnisse schufen die neue Methodik, die neuen formalen Ausdrucksmöglichkeiten für dieses überraschende Material.
So waren die edlen vollendeten Sowjet-Filme Chroniken, d. h. Dokumentarfilme, die die Geschehnisse in Form eines Kalender-Tagebuches, in bestimmten Abschnitten aus dem Bürgerkrieg oder nach thematischen Bedingungen der neuen revolutionären Lebensform aufzeichneten. Die ersten Arbeiter dieser chronikalen Filme waren Kulischow und Werthoff, Lewitzki und andere.
Auf dem Material dieser Chroniken wurde die Montage von Werthoff gemeistert, die neue Theorie des „Kino-Auges“ aufgebaut und durch sie der Weg des Spielfilms wesentlich beeinflußt.
Bis 1922 wurden Spielfilme — wenn man einige Dutzend belangloser Agitationsfilme nicht mitrechnet — kaum produziert. Es waren dies sogenannte Kino-Volksbilder, die von den politischen Abteilungen der Armeen hergestellt wurden, um auf besonderen Agit-Dampfern und -Zügen die Fronten abzustreifen. Die planmäßige Produktion des Spielfilms begann erst 1922. Sein Fundament wurde von Kulischow gelegt.
In dem Vorwort zu einem Buch „Ueber die Kunst des Kinos“ von Kulischow berichten seine Schüler Pudowkin, Vogel, Kamaroff u. a.:
„Kulischow ist der erste Kinematograf, der begonnen hat, von dem Alphabet zu sprechen, der das unartikulierte Material organisierte, der sich mit Silben und nicht nur mit Worten beschäftigte … auf seinen Schultern haben wir durch den Schlick das offene Meer erreicht. Wir machen Filme — aber Kulifchow hat die Kinematografie geschaffen.
Tatsächlich hat auf dem Weg der Experimente und Forschungen, die zum Teil noch aus der vorrevolutionären Kinematografie stammen, Kulischow als erster die Form der kinematografischen Sprache erfunden.
Die Grundelemente seiner Kinosprache sind die Montage, der Aufbau des Bildausschnittes und das Spiel des Modelles. Die Montage ist nach Kulischow Organisation des kinematografischen Materials, die Beziehung der Einzelstücke zueinander, ihre Reihenfolge, die gegenseitige Abwechslung der Stücke. Die Montage ist das grundlegende Einwirkungsmittel auf den Zuschauer. Mit Hilfe der Montage gestaltet Kulischow aus dem prekären kinematografischen Material eine neue Erdoberfläche, einen neuen konstruierten Menschen und ein neues psychologisches Ausleben des angenommenen Modells. Dies sind Entdeckungen konstruktiver Art, die ihn in Zusammenhang mit Werthoff bringen. Eine weitere Eroberung Kulischows ist die Reinigung des Cadres (Bildausschnittes), die maximalste Oekonomie seiner Konstruktion, die Berechnung jedes Zentimeters des Bildausschnittes. Der Ablauf der Bewegung im Cadre wird von ihm im voraus konstruiert. Sein Ideal war, ein entsprechendes Geleise für den Bewegungsablauf zu schaffen. In das Spiel des Modelles, das in Aufteilung und Klärung der zergliederten Bewegungen beruht, hat Kulischow die Methode Chaplins eingeschaltet, die die Handlung des Menschen durch seine Beziehung zu den Gegenständen ausdrückt.
Seine Entdeckungen hat Kulischow an eine Anzahl von ihm erzogener junger Kino-Operateure weitergegeben. Mit ihnen zusammen hat er später seine pädagogischen Methoden in der Produktion verschiedener Filme, wie „Mister Weit“ und „Todesstrahl“ verwirklicht. Innerhalb der Sowjet-Kinematografie gilt Kulischow als der Experimentator.
Den „sozialen“ Film konnte Kulischow aber nicht schaffen. Die Voraussetzungen für den sozialen Film waren die chronikalen Filme Werthoffs, die auf dem hundertprozentigen Material des aktuellen Sowjetlebens, auf den Fakten, begründet sind.
Werthoff war der Initiator der Gruppe der „Kinoki" oder „Radioki". Mit Hilfe des Kino-Auges und der „überrumpelnden“ Aufnahme hat er das Pathos des sozialen Faktizismus geschaffen. Aus dem chronikalen Film Werthoffs, der aus dem chronikalen Aufnahme-Material des „Journals" entstand, erwuchs das selbständige, vollendete Werk, diese Symphonien der Fakten, die die Heroik der edlen Daten der Oktober-Revolution und die Phasen des neuen sozialistischen Aufbaus so klar widerspiegeln.
Das Kino-Auge Werthoffs ist die ideale Kino-Kamera, die von der bisherigen Bewunderung des menschlichen Auges befreit, die bloße Nachahmung der Leistungsfähigkeit des „unbewaffneten Auges? überholt. Das menschliche Auge ist unbeweglich — es lieht die Dinge nur von einem Standpunkt. Das Kino-Auge hingegen sieht es von tausend verschiedenen Standpunkten und fixiert es in taufend wechselnden Gestalten.
Das Material eines „Kinoki-Filmes" ist die unendliche Mannigfaltigkeit unseres Lebens und unseres sozialen Aufbaues. Die von der Kino-Kamera überrumpelten Erscheinungen sind erstarrte Bruchstücke des Lebens, sind nur tote Cadrezellen. Die Aufgabe Werthoffs aber ist es, aus diesem erstarrten Material das dynamische Bild unseres heutigen Lebens zu konstruieren. Werthoff konstruiert diese visuelle Dynamik durch die Methoden seiner musikalisch-rhythmischen Montage.
Er wählt die wichtigsten, die ökonomischsten und ausdrucksvollsten Stücke seines Materials und reiht sie nach dem Prinzip ihrer visuellen Wechselbeziehung durch geometrische Berechnung in der Montage-Phrase gegeneinander.
Die Montagewirkung auf den Zuschauer entsteht im Moment des visuellen Zusammenpralls der einzelnen Stücke.
Die chronikalen Filme Werthoffs: „Kino-Auge“ und „Lenins Kino-Wahrheit“ haben die Arbeit Eisensteins in seinem „Streik“ und „Panzerkreuzer Potemkin“ stark beeinflußt.
Der „Streik“ bildet eine Etappe in der Sowjet-Filmproduktion. Er ist der erste Spielfilm, der die Wendung von dem nachahmenden theatralisch-historischen und pseudo-revolutionären Film zu dem wahren sozialen Sowjet-Film machte. Bei der Arbeit des „Streik“ hat sich der Regisseur Eisenstein geformt.
Eisenstein kam vom linken Theater „Proletkult“ zum Film. Von dort hat er den Exzentrismus des Zirkus (in der Zergliederung der Kompositionsstruktur, die schon damals latent Montage-Elemente enthielt — und die Attraktionsfähigkeiten der einzelnen Nummern) mitgebracht.
Eisenstein hat ein spezifisches Gefühl für die Auswahl des Materials. Seine Erfindungen sind in dem Anreiz durch das Material begründet. Das Material des „Streik“, das mit sozialem Pathos gesättigt ist, erforderte einen besonderen, neuen Ausdruck. Die neuen Formen bedingten das Schaffen der Attraktionsmontage, d. h. den Zusammenprall der untereinander unverbundenen, episoden-haften Schlager, die auf die Assoziation des Zuschauers einwirken.
Der „Panzerkreuzer Potemkin“ verstärkt weiter die Monumentalität der Eisensteinschen Komposition. Die architektonische Struktur des Filmes tritt klar zutage, wird durch die graphische Rhythmik der mächtigen Linien und Flächen, die einander durchkreuzen, bestimmt.
Die Pathetik der großen sozialen Organismen macht den „Panzerkreuzer“ den Repräsentanten aller Gesellschaftsklaffen verständlich. In diesem Werk vertragen sich Monumentalismus und Exzentrismus formal miteinander.
Der „Oktober“ ist kompositionell schwächer als der „Potemkin“, er hat nicht die Konzentriertheit des letzteren. Jedoch ist es Eisenstein im „Oktober“ gelungen, die Methoden seiner Montage von der emotionellen zu der intellektuellen zu erweitern. Anstatt der maximalsten Schwingungen der agressiven Emotionen werden in das Bewußtsein des Zuschauers nur Begriffe eingebohrt, die mit einem verschärften Denkprozeß verbunden sind. Auf diesen neuen Methoden ist der größte Teil der „General-Linie“ aufgebaut. In diesem Film ist das Pathos des sozialistischen Aufbaus, der sich in die Gebiete der agrikulturellen Industrialisation erstreckt, nicht schwächer als das Revolutionspathos des „Panzerkreuzer Potemkin“.
Eisenstein ist großartig als Individualität von ungemein intellektueller Bestimmtheit. Als Persönlichkeit vereinigt er die Elemente verschiedenfter Kulturen in sich. Die Arbeit Pudowkins formt sich auf den Methoden der Kulischewschen Schule. Sein Lehrer    die Sphäre des emotionellen Epos von Griffith. Die heroische Pathetik und die Kunst, mit den Massen zu arbeiten, hat er von Eisenslein. Was Eisenstein auf dem Wege des Intellekts erreicht, schafft Pudowkin durch die Kraft seines Temperaments, durch die Entladung seines Enthusiasmus. Pudowkin sagt von Eisenstein, daß er das „Kinematografische Epiteton (Beschreibungswort) erfunden“ habe. Dies ist aber mit mehr Recht auf Pudowkin anzuwenden, der mit Hilfe rein kinematografischer Mittel die Dinge mit den Eigenschaften ausstattet, die ihm selbst nötig sind. In der „Mutter“ hat er als Erster den Racours erfunden, wodurch er das spezifische Wesen der betreffenden Personen zum Ausdruck bringt. In seiner Montage-Behandlung läßt Pudowkin Kulischow weit hinter sich. Seine rhythmisch-musikalische Montage steigert das Aufnahmevermögen des Zuschauers zu kolossaler emotioneller Empfänglichkeit. Die Methode Kulischows in bezug auf die mechanisierte, zergliederte Arbeit des Schauspielers hat Pudowkin in die Vorführung des wirklichen Zustandes des Schauspielers verwandelt — hervorgerufen durch einzelne wirkliche Anreize —, die dann erst durch die Verbindung der Montage auf den Zuschauer wirken. Pudowkin ist traditionslos, er ist stark durch sein begeistertes Revolutionspathos, das Freund und Feind überwältigt.
Esther Schub hat aus dem Material alter Filmothek-Cadren einige historische Revolutionsfilme, wie: „Der große Weg“, „Der Sturz der Romanows“ und „Tolstoi“ geschaffen, eine neue Filmart, die aus dem Chronikenmaterial zusammengebaut ist.
Das Schöpfertum Schubs ist ein wahres Martyrium. Durch die Wiederbelebung der alten, schon verwesten Film-Cadre schafft Schub eine große, politisch wertvolle Kunst. Werthoffs Verliebtheit in das soziale Material, das bei ihm als solches lebt und tönt, ist bei Schub mehr rauhe Verwertung des Materials als Agitationsnote, die erst im Prozeß der Gegenüberstellung zu tönen beginnt. Dies verleiht ihren Filmen eine hervorragende politische Bedeutung.
Eifenflein, Werthoff, Pudowkin, Kulischow und Schub bestimmen die Entwicklungsrichtung des Sowjetfilmwesens. Alle anderen Regisseure nähren sich von ihren Experimenten. Der gesuchte Stil der „Feske“ (Regisseure Kosintze und Trauberg), der „grausame“ Naturalismus Rooms, die Montage-Rhythmik Schengeleijas, die revolutionäre Kraft Dowschenkos sind zwar wertvolle Elemente der Sowjet-Kinematografie, aber bereichern sie nicht durch neue Einsätze. Auf den Kommandohöhen des Sowjet-Kinos stehen vorläufig fünf Regisseure Wache und rufen sich an. Sie haben den neuen sozialen Film geschaffen und ihn dem bourgeoisen Film des Westens entgegengesetzt.
Die wichtigste Auswirkung der sozial-kulturellen Filmarbeit in U.d.S.S.R. besteht einerseits in der beginnenden Heranziehung der breiten Massen zu dem kulturellen Aufbau des Kinos, andererseits in der wissenschaftlich-experimentellen Bearbeitung der einschlägigen Probleme für experimentelle Zwecke. Diese beiden Arbeitsmethoden kreuzen sich in irgend einem Punkt und ergänzen einander. Die Linien des Sowjet-Films werden nicht nur durch die öffentlichen Kino-Organisationen, die E.R.R.H. und O.D.S.K., reguliert. Eine große Rolle spielen dafür noch die Arbeiter- und Jugend-Verbandversammlungen der verschiedenen Fabrikbetriebe, wo nicht selten Filmmanuskripte vorgetragen und entweder angenommen oder abgelehnt werden. Für den Filmautor hat dieser Filter des Klassengefühls der Arbeiter natürlich einen außerordentlichen Wert. Ein fertig-gestellter Film wird ebenfalls zuerst der Produktionsberatung der Arbeiter der betreffenden Filmfabrik, denen das erste gewichtige Wort gehört, vorgeführt. Diese Gemeinschaftsarbeit mit der Masse bringt ihr die Bedeutung ihres öffentlichen Berufes immer klarer zum Bewußtsein.
Die Thematik der Sowjet-Filme entwickelte sich nicht nur ausschließlich in der Richtung „revolutionärer Schlager". Sie teilte sich in eine Reihe besonderer Gebiete auf, zu deren wichtigsten die Filme aus dem sozialen Leben mit geschichtlichem und künstlerischem Vorwurf gehören.
Die Direktiven der Partei und der öffentlichen Organisationen, die Arbeiten der künstlerischen Räte und der Produktionsberatung, die Diskussionsfeldzüge der Filmkritik stellten fest, daß das Hauptthema des Sowjetfilmes das heutige Leben sein muß. Das Thema des sozialen Lebens hat sich außerordentlich vertieft; es umfaßt nicht allein nur die Verhältnisse der. Lebensführung und des Milieus, sondern auch ihre Widerspiegelung in der Produktion und die Reflexe der Produktion im sozialen Leben.
Ein Leben außerhalb dieses produzierenden Arbeitermilieus bedeutet nicht soziales Leben, ist vielmehr etwas Unbestimmbares, sozial vollständig Undifferenziertes.

 

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IV. Ausstellung des Süddeutschen Photographen-Vereines, Stuttgart 1899


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Foto-Auge | Œil et photo | Photo-Eye - [Influential Book]

Stuttgart 1929

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